Deichkind machen pointierte Lieder über verkorkste Umstände und bringen den Diskurs in den Moshpit. In Ersteres ist Henning Besser alias DJ Phono nicht involviert. Er kümmert sich um alles außer Musik und Texte und übersetzt den Deichkind-Wahnsinn in ein innovatives Bühnenkonzept. Mit der Konzeption der Live-Shows 2022 brachte Besser Ordnung ins Chaos. Oder umgekehrt. Die in aufwendigen Kostümen als Popband verkleidete Konzeptkunstgruppe ließ bei ihren Konzerten ebenso viel Konfetti wie Kritik regnen, während sich Theater und Techno, Rap und rotierende Lichtsäulen ineinander verschränkten.
Das Ausmaß von Machtmissbrauch und sexueller Übergriffigkeit in der Musikbranche ist groß. An die Öffentlichkeit gelangen meist nur Einzelfälle. #musicmetoo, ein Zusammenschluss von deutschrapmetoo, der Agentur Safe the Dance, der Community Queer Cheer sowie der Netzwerke Music S Women*, Music TH Women* und weiterer Aktivist:innen, ist eine zentrale Plattform, auf der Betroffene ihre Erfahrungen anonym und öffentlich teilen können. Indem sichtbar gemacht wird, was sich sonst im Verborgenen abspielt, werden aus vermeintlichen Einzelfällen strukturelle Missstände und die Weichen für Veränderung gestellt.
Rayan Djima und Samuel Eickmann kennen das Regelwerk des Songwritings in- und auswendig. Doch sind Blumengarten genau deshalb so besonders, weil sie die eisernen Gesetze auch mal ignorieren. versprochen, alles wird gut! besteht aus nicht mehr als drei Songs mit insgesamt weniger als sieben Minuten Spielzeit und es stecken grob geschätzt dreihundertfünfzwanzigtausend Ideen drin. Hier springt ein Song abrupt von einem Genre ins andere über, um die Lyrics zu komplementieren, dort paaren sich mächtige Bässe mit psychedelischen Gitarren. Nichts daran ist offensichtlich, alles aber goldrichtig.
Hinter dem fulminanten Comeback-Album Love Songs stand eine eingeschworene Gemeinschaft. Auf der dazugehörigen Tour brachte Peter Fox diese Gemeinschaft auch auf die Bühne. Fans durften sich vorab als Tänzer:innen bewerben und verwandelten jedes Konzert in eine Mitmach-Party. Das produktive Chaos hinter Fox und seiner Band wurde im Hintergrund von der international renommierten M.I.K Family geleitet, die schon die Choreografie für das Video zu „Zukunft Pink“ entworfen hatte und während der Konzerte immer wieder in den Vordergrund trat. Sie zeigte, wie dieser Sound erlebt werden muss: mit dem Körper zuerst.
Als Komponistin, Produzentin und Sängerin in Personalunion weiß Sofia Kourtesis um die Wichtigkeit von Leerstellen in der House Music. Ihr von lateinamerikanischen Rhythmen inspirierter Ansatz setzt auf ein vielschichtiges Miteinander von Melodie, Harmonie, Stimmen und Groove, lässt den verschiedenen Momenten aber stets ihren Freiraum. Die Vorab-Single „Madres“ ihres gleichnamigen Debütalbums erreicht eine klangliche und emotionale Dichte, mit dem die in Berlin ansässige Peruanerin das in den Lyrics ausgesprochene Gefühl der Geborgenheit und der Liebe nahtlos in Musik übersetzt.
In Berlin mangelt es nicht gerade an Chören. Aber etwas Vergleichbares hat es bis zur Gründung von A Song For You auch in der Hauptstadt noch nicht gegeben. A Song For You ist eine Plattform für die Stimmen von BIPoC und mehr als „nur“ ein Chor: Die Gemeinschaft von gut 50 Mitgliedern inklusive Begleitband verfolgt unter ihren eigenen Bedingungen einen kollektiven songwriterischen Ansatz, der in musikalischer Hinsicht von Jazz, Soul und R ’n’ B geprägt ist und doch stets radikal offen bleibt. A Song For You steht für Vielklang im Einklang, das Experiment des Zusammenhalts.
Wie fasst man eine Erfahrung in Worte, die ebenso alltäglich wie nicht hinnehmbar ist? „Schiefe Blicke, laute Wörter / Für sie sind wir nur noch Körper“, singt CÉLINE in den ersten beiden Zeilen von „3 Sekunden“ und definiert damit die Systematik hinter der Belästigung, der weiblich gelesene Personen regelmäßig ausgesetzt sind. „Airpods rein, aber Airpods aus / Immer Standort, Pfefferspray, Herz klopft laut“ – mit wenigen Worten skizziert Paula Hartmann, was das auf dem Nachhauseweg bedeutet. „3 Sekunden“ verzichtet auf Metaphern, um schonungslos die Realität einzufangen. Ungeschönt und erschütternd.
Seit der Gründung der Femme Bass Mafia durch Dangermami und der folgenden Verstärkung des Teams durch LUZ1E und Marie Midori, positioniert sich das Trio gegen gleich zwei Missstände: Zum einen wird das musikalische Geschehen in der Clubszene weiterhin vom Viervierteltakt des Techno geprägt. Zum anderen wird dieser meistens immer noch von Männern aufgelegt. Durch an FLINTA* gerichtete DJ-Workshops schaffen Femme Bass Mafia einen Saferspace zum Lernen und Austauschen und ein Gegengewicht zur stark männerdominierten Szene. So legen sie auf dem Dancefloor wie hinter den Decks den Grundstein für musikalischen und gesellschaftlichen Fortschritt.